Die Aquaristik ist kein Hobby für Ungeduldige, soviel steht fest. Beim Thema Einfahrphase scheiden sich unter den Aquarianern jedoch die Geister. Immer wieder hört man "Ich hab‘ immer gleich nach ein paar Tagen Fische eingesetzt und es hat immer funktioniert". Nun ja, nur weil es bisher funktioniert hat, heißt es nicht, dass es auch richtig ist. Wem etwas an seinen Tieren liegt und ihnen ein möglichst sicheres Zuhause bieten will, sollte sich eingehend mit dem Thema Mikrobiologie im Aquarium befassen. Warum die Einfahrphase im neuen Aquarium unbedingt nötig ist, liest du ebenfalls in unserem Blog. Doch auch wenn man eine Einfahrphase einhält, woher weiß man, wann das Aquarium fertig eingefahren ist?
Einflussfaktoren auf die Dauer der Einfahrphase
Wer jetzt einen klaren Zeitrahmen erwartet hat, den müssen wir leider enttäuschen. Zu sagen, "nach 6 Wochen kannst du Fische einsetzen" wäre unseriös und spielt die Komplexität des Themas herunter. Für die Einfahrphase – auch Einlaufphase genannt – gibt es leider keine feste Dauer. Sie nimmt von Becken zu Becken unterschiedlich viel Zeit in Anspruch. Wie viel Zeit das ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: die Wasserbeschaffenheit, ob Süßwasser oder Meerwasser, der Bodengrund, die Art von Hardscape, ob Soil oder kein Soil, die Anzahl und Art der Pflanzen, die Größe des Beckens und der geplante Besatz. Alle diese Faktoren haben Einfluss darauf, wie schnell sich das Gleichgewicht in deinem Aquarium einstellen wird. Ein paar Anhaltspunkte für den erfolgreichen Abschluss der Einfahrphase gibt es jedoch.
Was passiert eigentlich während der Einfahrphase?
Um diese Anhaltspunkte zu bemerken, muss man zuerst verstehen, welche Prozesse im Aquarium während der Einfahrphase stattfinden.
Damit ein Aquarium funktioniert und Tiere darin leben können, muss ein stabiles mikrobiologisches Gleichgewicht herrschen. Dafür sind bestimmte Bakterienarten nötig, die für den Schadstoffabbau und Stickstoffkreislauf im Aquarium verantwortlich sind. Da diese nicht frei im Wasser schweben, sondern im Bodengrund und im Filtermaterial leben, sind im neu eingerichteten Aquarium natürlich noch keine Bakterien vorhanden. Es dauert einige Zeit, bis sich die Bakterienstämme gebildet haben und im ausreichenden Maße Schadstoffe im Wasser abbauen. Denn durch bereits vorhandene Nährstoffe im Leitungswasser, solche, die über das Hardscape ins Wasser gelangen, Ausscheidungen von Tieren, Futterreste und abgestorbene Pflanzenteile herrscht ein großes Angebot an Nährstoffen und Schadstoffen. So wandeln die Bakterien vorhandenes Ammonium in giftiges Nitrit und dieses wiederum in ungefährliches Nitrat um. Dieser Nitrifikationsprozess muss stabil laufen, bevor Sie Tiere ins Wasser einsetzen, da diese bei zu hohem Nitrit-Gehalt sterben würden.
Haben sich noch nicht genügend Bakterien angesiedelt, ist der Nährstoffgehalt zu hoch. Ein hoher Nährstoffgehalt begünstigt wiederum die Bildung von Algen, die durch das Überangebot an Nahrung intensive Algenblüten ausbilden können. Wären zu diesem Zeitpunkt schon Tiere im Aquarium, könnte es für sie gefährlich werden. Denn bei der Algenblüte entziehen die Algen dem Wasser jeglichen Sauerstoff. In der Folge ersticken die Tiere.
Wichtig ist also, dass die Bakterien Ammonium und Nitrit wirksam abbauen, sodass die beiden Stoffe nicht mehr im Wasser nachweisbar sind.
Knackpunkt Nitrit-Peak?
Ist also der sogenannte Nitrit-Peak, also der Zeitpunkt mit einer besonders hohen Konzentration an Nitrit im Wasser, die Kennzeichnung für den Abschluss der Einfahrphase? Leider nein. Zum einen ist der Nitrit-Spiegel zum Peak teilweise so hoch, dass er die Skalen handelsüblicher Tests sprengt und deshalb nicht messbar ist. Und auch wenn der Peak beobachtet werden kann und der Nitrit-Gehalt im Wasser wieder sinkt, ist das noch nicht der Startschuss für den Besatz. Es ist ein guter Hinweis darauf, dass die Bakterien ihren Dienst tun und den Giftstoff in ungefährliches Nitrat umwandeln. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Einfahrphase nun final abgeschlossen ist.
Zum einen brauchen die Bakterien eine Weile, um das Nitrit vollständig abzubauen. Zum anderen ist das mikrobiologische Gleichgewicht im Aquarium immer noch instabil. Erst wenn Ammonium und Nitrit dauerhaft nicht mehr nachgewiesen werden können, können Schnecken, Garnelen und Fische nach und nach einziehen.
Aufpassen beim Besatz!
Wichtig ist dabei, nicht sofort die gesamte Menge an Tieren einzusetzen, denn das kann das immer noch instabile Gleichgewicht wieder aus den Angeln heben. Die organische Masse wäre zu groß für den noch geringen Anteil an Bakterien. Es würde erneut zu einem Nitrit-Anstieg kommen und damit zu einer Gefährdung der Tiere.
Besser ist es, die Belastung durch organische Masse langsam zu erhöhen. Steigere also die Menge an Tieren im Becken nach und nach, damit sich die Bakterien-Population entsprechend mitentwickeln kann. Fang beim Besatz mit den robusteren Tierarten an. Die sensiblen Tiere ziehen erst ganz am Schluss in das neue Aquarium ein.
Tipps zum Beschleunigen der Einfahrphase
Ohne zusätzliche Maßnahmen kann die Einlaufphase gut und gern 12 Wochen oder länger dauern.
Ein klein wenig kannst du den Nährstoffabbau in der Einfahrphase durch die Wahl der Pflanzen beeinflussen. Zum einen spielt die Anzahl der Pflanzen eine Rolle. Je mehr Pflanzen, desto mehr Nährstoffe verbrauchen sie, die dann wiederum Algen nicht mehr als Nahrung zur Verfügung stehen (allerdings produzieren mehr Pflanzen auch mehr Schadstoffe durch abgestorbene Pflanzenteile…). Zum anderen kommt es auf den Zustand der Pflanzen an, die du einsetzt. Vor allem InVitro-Pflanzen, die in der emersen Wuchsform gezüchtet werden und sich erst im Aquarium auf die submerse Form umstellen, brauchen länger, bis sie eine größere Menge an Nährstoffen verbrauchen. Pflanzen die du schon im submersen Wuchs kaufst, verringern die Nährstoffmenge im Aquarium schneller, was zumindest die Algenphasen verkürzen kann.
Spürbar verkürzt wird die Einfahrphase durch die Zugabe von Starterbakterien. Dabei gibt man Bakterienkulturen in einem Nährmedium direkt ins Wasser, so dass sich die Bakterienstämme nicht erst neu bilden müssen. Wichtig ist, dass die Bakterien im Becken genug Nahrung finden, um sich zu vermehren. Diese kann man zusätzlich im Handel kaufen oder man gibt hin und wieder ein klein wenig Fischfutter ins Aquarium.
Ein Nachteil: Starterbakterien sind meist nicht mit einem Haltbarkeitsdatum versehen. Auch wenn sie in einem Nährmedium angeboten werden, werden die Einzeller nicht ewig in ihrem Fläschchen am Leben bleiben. Es ist also unklar, wie viele Bakterien Sie mit dem Starter wirklich ins Aquarium geben.
Auch unter Beherzigung der genannten Maßnahmen kann die Einfahrphase bestenfalls um ein paar Wochen verkürzt werden, dauert aber immer noch mehrere Wochen an. Letztlich gilt also frei nach Meister-Yoda: Geduld du haben musst, junger Aquarianer ;)